02/07/2024 0 Kommentare
Gedanken zum Monatsspruch Juli
Gedanken zum Monatsspruch Juli
# Impulse
Gedanken zum Monatsspruch Juli
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Ps 42,3 Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
„Nach frischem Wasser lechzen“.. Die Sehnsucht nach Kühlung und Erleichterung. Gerade in diesen ungewöhnlich heißen Tagen kann ich das tief in mir spüren. Viele werden sich dabei sofort an eine eigene Situation erinnern, in der sie einmal so richtig durstig waren, sich schlapp, ausgetrocknet und ausgezehrt gefühlt haben.
Nach etwas „lechzen“: Etwas wollen und herbeisehnen, was man unbedingt zum Leben braucht; so könnte man das Wort umschreiben.
Bei einer anstrengenden Wanderung in der Sommerhitze der Ferien ist es kühles Wasser – sonst nichts, nach dem ich lechze: Ein Schluck frisches Wasser und die Lebensgeister erwachen wieder. Gestärkt und erfrischt kann ich den Weg weitergehen.
Dieses Psalmwort spricht etwas tief in meinem Herzen an. Eine Sehnsucht. Zu spüren: „Da ist doch noch etwas“. Etwas was ich so zutiefst brauche und das ich so gerne ins Leben ziehen möchte.
Sehnsucht. Wikipedia beschreibt Sehnsucht als ein „inniges, schmerzliches Verlangen nach jemandem oder etwas“. Etwas, was ich in mir spüre, was ans Licht will, es mir aber einfach nicht gelingen will, es ins Licht zu bekommen.
Und so wird mir deutlich, dass Sehnsucht wehtun kann. Unerfüllte Sehnsucht. Zu spüren: Da ist doch noch etwas. Da bin ich noch nicht angekommen. Hoffnungen, mein Leben betreffend, die noch brachliegen. Die mich verändern würden, die mich aufatmen lassen würden. Die mich glücklich machen würden. Vielleicht ist auch das der Grund, warum ich meine Sehnsucht nicht immer spüren will, warum ich sie oftmals eher verdrängen will. Und dann im Gang durch die Zeit diese unendlichen Kompromisse eingehe und an so vielen Ecken einfach resigniere.
Doch dann lese ich diesen Psalm, sehe einen atemraubenden Sonnenuntergang oder darf einen Moment tiefster Liebe und Verbundenheit erleben, eine Berührung, eine Begegnung, eine Umarmung, ein verständnisvoller Blick, ein mir unbekanntes Gefühl von Vertrauen. Das ist so wunderschön. Ja.. und da ist er dann wieder: Der Schmerz. Manchmal auch in den schönsten Momenten des Lebens, diese Sehnsucht, die weit über mich hinausgeht und die immer etwas Unverfügbares mit sich bringt.
Wenn ich in die Nachrichten schaue erlebe ich das Leid um mich herum oder die Dunkelheit in mir drin. Wir können Sehnsucht in den Durststrecken unseres Lebens spüren und wir können sie in den vollkommensten Momenten unseres Lebens spüren. Da ist etwas, wovon ich weiß, dass es da ist, dass ich aber noch nicht vollends greifen kann
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott, der mir in diesen Momenten unerfüllter Sehnsucht hilft.
Von Gott erwarte ich mir Hilfe und Trost in einer ausweglos erscheinenden Lage: Ich fühle mich missverstanden und bedroht, bin traurig und deprimiert. Mein Glaube an diesen einen lebendigen Gott, der mir hilft, der mich stützt, der mich versteht wird von anderen infrage gestellt und ich fange manchmal selbst zu Zweifeln an. „Wo bist Du Gott?“
„Hat Gott mich vergessen?“ „Hat Gott uns vergessen?“ So haben wir in manch schlafloser Nacht wohl auch schon gefragt, wenn Sorgen und Ängste uns nicht zur Ruhe kommen lassen. Da ist der Krieg in der Ukraine. Da sind die vielen Naturkatastrophen, hervorgerufen durch den schnell wachsenden Klimawandel. Auch die vielen kleinen und großen Schicksale unseres je eigenen Lebens. Manchmal fragen wir uns: „Wo bist du, Gott?“ angesichts von Überschwemmungen und Zerstörung, Tod und Verzweiflung? Wie schnell kommen da Zweifel auf und die Glaubensgewissheit wird brüchig.
Und doch. Gott will uns Mut machen, so wie der Hirsch nach dem lebendigen Wasser lechzt, unseren Sehnsüchten und Hoffnungen ins Auge zu blicken. Meine schmerzhaft empfundene Sehnsucht im Angesicht der persönlichen Schicksale, der Ungerechtigkeit und des Leids ist mit dem Lechzen und Schrei eines Hirsches nach frischem Wasser vergleichbar. Durst ist überlebenswichtig und kann manchmal unangenehm und bedrohlich sein, wenn er nicht gestillt wird. Er treibt und lenkt uns und erinnert uns daran, zu trinken. Klares, frisches Quellwasser – ein wundervoller Ausblick im Angesicht des Durstes. Und so kann auch die freiere Zeit in den Ferien uns helfen diesen Ausblick wieder zu erlangen. Zu spüren: Da ist doch noch was…“.
Der Psalm macht mir Mut, den Durst meiner Seele, diese Sehnsucht in mir, wahrzunehmen und genauer hinzuhören: Wonach dürstet meine Seele? Und womit versuche ich, meinen Durst zu stillen? Meine Seele dürstet nach Gerechtigkeit, nach Frieden, nach Heilung. Meine Seele dürstet nach Glück, nach Verstanden werden, nach Zärtlichkeit, gelingender Lust. Zu spüren, dass ich bei mir ankommen kann. Dass ich genommen werde wie ich bin, mit dem was ich bin und mit dem was ich eben auch nicht bin. Meine Seele dürstet danach, das Wirken des lebendigen Gottes hier in dieser Welt und in meinem kleinen Alltag zu sehen. Meine Sehnsucht treibt mich oft ins Gebet, hin zu Gott. Mein seelischer Durst verlangt nach dem Lebendigen, nach dem klaren Quellwasser. Der Psalm ermutigt mich, meine Sehnsucht nicht „schön zu reden“, sondern ehrlich zu sein und mit all meinen Emotionen vor Gott zu kommen – auch meine Seele darf schreien, Gott, zu dir.
Da kommt mir dieses wundervolle Lied ins Ohr, dass wir immer in unseren Taizé Andachten in der Gustav-Adolf-Kirche im Kirchort Niederursel singen:
„Da wohnt ein Sehnen tief in uns o Gott nach Dir, Dich zu sehen, Dir nah zu sein Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst. Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir. Wir hoffen auf dich, sei da, sei uns nahe, Gott.
Pfarrer Michael Stichling
Kommentare