02/07/2024 0 Kommentare
Gedanken zum Monatsspruch Mai
Gedanken zum Monatsspruch Mai
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Gedanken zum Monatsspruch Mai
Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. (1. Korinther 6,12)
Diese zwei Sätze klingen hochmodern. Wäre die Klammer nicht, die auf die Herkunft in der Bibel hinweist, ginge die beiden Sätze als Sinnsprüche des 21. Jahrhunderts durch. Im Mittelpunkt steht scheinbar das „Ich“. „Mir“ ist alles erlaubt. Alles, was nicht durch das Nadelöhr meiner individuellen Prüfung und meines Wertehorizontes gegangen ist, ist für mich nicht annehmbar. Ich bin aufgeklärt im Sinne Kants: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Ich bin mündig. Ich muss entscheiden, was ich denke und tue. Ich darf grundsätzlich alles – aber es ist vernünftig zu prüfen, ob es mir auch zum Guten dient und es macht Sinn, dass ich darauf achte, mich nicht abhängig zu machen. Wenn ich souverän bleiben will, dann darf nichts über mich Macht bekommen. Unabhängigkeit hat einen großen Wert!
Soweit die moderne Lesart der beiden Sätze, die Paulus, der sie geschrieben hat, als Schöpfer, oder zumindest Paten der modernen Individualitätsvorstellung erscheinen lassen. Er verkündet das Evangelium von Jesus Christus als befreiende Botschaft von den Fesseln dieser Welt. Es lohnt sich allerdings ein zweiter Blick, der den Zusammenhang der Sätze wahrnimmt: es gibt Streit in Korinth. Paulus ist entsetzt. Ein Gemeindeglied will gegen ein anders vor Gericht ziehen. Nicht den Konflikt intern regeln, sondern einen heidnischen Richter anrufen. Andere verstehen ihre Freiheit gegenüber den Gesetzen dieser Welt so, dass sie machen, wonach ihnen ist. Das heißt für manche Männer, dass sie den Tempel der Aphrodite aufsuchen, wo es günstig Frauen, Jungen und Mädchen für ihre sexuellen Bedürfnisse und Lustvorstellungen auf Zeit kaufen konnten. „Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes“ schreibt Paulus ihnen. Nicht nur, macht euch nicht von euren körperlichen Bedürfnissen abhängig, sondern auch, macht euren Körper zu einem Tempel – heiligt ihn!
Eigentlich sagt Paulus schlicht: Bezeugt mit eurer irdischen Existenz und allem, was ihr habt, den Gott an den ihr glaubt. Er ruft in gewisser Weise das erste Gebot in Erinnerung: Ich bin der Herr dein Gott, du brauchst keine anderen Götter neben mir haben. Du bist unabhängig von allen Götzen und Göttern dieser Welt (und denkt daran: woran du ein Herz hängst, dass ist dein Gott!).
Auch wenn ich mich von nichts in dieser Welt abhängig zu machen brauche: Der Freiheit des Glaubens ist weder diese Welt, noch die Menschen und unsere Bindungen zu ihnen egal. Unsere Freiheit besteht nicht in egomaner Selbstbezogenheit, sondern in Mitmenschlichkeit. Alles ist mit erlaubt, was nicht zur Zerstörung dieser Welt beiträgt, menschliche Beziehungen kaputt macht, oder die Würde von Menschen verletzt.
In diesem Sinne: Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich!
Pfarrer Reiner Dietrich-Zender
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