Gedanken zum Text aus Hiob 1,21

Gedanken zum Text aus Hiob 1,21

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# Impulse

Gedanken zum Text aus Hiob 1,21

Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt (Hiob 1,21)

Mit 16 bin ich das erste Mal über diesen Satz gestolpert. Eine Klassenkameradin war tödlich verunglückt und der Pfarrer stellte diesen Satz in den Mittelpunkt seiner Trauerfeier. Ich war damals entsetzt, regelrecht empört. Wie kann man nur so über den Tod eines jungen Menschen reden? Was gibt es da zu loben? Kurt Marti, den ich später im Studium entdeckte, hat meine Überzeugung in dem Gedicht „Das kann Gott nicht gefallen haben!“ zum Ausdruck gebracht.

dem herrn unserem gott hat es ganz und gar nicht gefallen daß gustav e. lips  durch einen verkehrsunfall starb

erstens war er zu jung zweitens seiner frau ein zärtlicher mann drittens zwei kindern ein lustiger vater viertens den freunden ein guter freund fünftens erfüllt von vielen ideen

was soll jetzt ohne ihn werden? was ist seine frau ohne ihn? wer spielt mit den kindern? wer ersetzt einen freund? wer hat die neuen ideen?

dem herrn unserem gott hat es ganz und gar nicht gefallen,  dass einige von euch dachten es habe ihm solches gefallen

im namen dessen der tote erweckte im namen des toten der auferstand: wir protestieren gegen den tod von gustav e. lips

Christlicher Glaube ist Protest gegen den Tod. Gott hat Freude am Leben und nicht alles, was geschieht, ist sein Wille. In Jesus Christus hat Gott sich auf die Seite der Trauernden und Leidenden, der Ausgegrenzten und Unterdrückten gestellt. Gott ist dort lebendig, wo Sinnlosigkeit nicht in Sinn umgedeutet wird und Zynismus keinen Platz hat. So betet Christus am Kreuz Gott mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

Als ich mich entschloss Theologie zu studieren um Pfarrer zu werden, habe ich öfter an die Hiobworte gedacht und mir geschworen „so was werde ich nie predigen!“

Nachdem ich hunderte von Trauergesprächen geführt und es bisher immer vermieden habe über Hiob zu predigen oder gar zu schreiben, merke ich, dass sich etwas in meiner Einstellung zu Hiob geändert hat. Vielleicht liegt es auch an meinem Alter, aber inzwischen spüre ich bei den Worten Hiobs großen Respekt. Ich möchte an die Erzählung in der Bibel erinnern: Als Hiob davon erfährt, dass er seine Kinder und sein Vieh verloren hat, lehnt er sich nicht gegen Gott auf, sondern fängt an zu beten: "Da stand Hiob auf und zerriss seine Kleider und raufte sein Haupt und fiel auf die Erde und betete an und sprach: Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt"

Dieser Hiob hatte eigentlich alles im Leben erreicht und dann wird ihm alles, was ihm lieb ist genommen. Er hat alles Recht der Welt zu jammern und zu klagen – aber nicht die Pflicht! Er schafft es sozusagen, die innere Balance zu halten. Er trauert, rauft sich das Haupt und zerreißt sich die Kleider, aber dann hört er auf zu klagen und gibt der Dankbarkeit Raum, für das, was gewesen ist, für das Leben, wie es ist, ein Geschenk. Er akzeptiert den Kreislauf des Lebens, nackt geboren, nackt gestorben und lässt los von jeglichen Besitzansprüchen. Hiob ist anspruchslos. Er entzieht sich der teuflischen Macht und treibt den Satan damit zur Verzweiflung.

Ich merke: Heute regt mich Hiob nicht mehr auf, aber er regt mich zum Nachdenken an. Würde es mir nicht guttun, mir eine Scheibe von seiner Anspruchslosigkeit abzuschneiden?

Pfarrer Reiner Dietrich-Zender

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