
Sonntag 17. Juli 2022 18:00 Uhr St. Thomaskirche
Eine Oratorienaufführung zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit
Die Schöpfung
Joseph Haydn, mit einem neukomponierten 3. Teil von Reinhard Fehling
Der Bochumer Theologe Jürgen Ebach stellte in einer seiner Universitätsreden 1988 fest, „dass man heute nicht unkommentiert, nicht ohne Zweifel und jedenfalls nicht ohne Nachfragen Haydns ‚Schöpfung‘ aufführen könne, soll nicht nach der Weise eines blind-affirmativen Kulturbetriebs ein großes Werk der europäischen Kultur nach- und abgefeiert werden, als ob nicht die gegenwärtige Lage die Kunst Lügen strafte.“
Solcherlei Überlegungen haben den Dortmunder Komponisten Reinhard Fehling dazu geführt, das Nachdenken diesmal nicht als Beiwerk zu etablieren, sondern – emotional dringlicher - die „Schöpfungsfrage“ im Werk selbst zu stellen.
Denn Ebachs Nachfragen sind aktueller denn je. Deren erste richtet sich an die Rolle, die der Mensch in der Schöpfung spielt. Bei Haydn steht er in strahlendem, ungetrübten C-Dur „gen Himmel aufgerichtet – ein König der Natur“, eine Haltung, die wir heute nur noch als anmaßend empfinden können. Und der Mensch ist natürlich ein Mann, in dessen Bild ein kaum verhohlener – wie Ebach schreibt – „phallokratischer Machtwahn“ mitschwingt und vor allem auch – entsprechend dem Geschlechterbild des ausgehenden 18 Jahrhunderts – ein Mann, der dem ‚Weibe‘ übergeordnet ist. Diese Hierarchie zwischen Mann und Frau ist aber gar nicht Bestandteil der ersten beiden Kapitel der Genesis, sondern wird von Gott erst nach dem Sündenfall als Strafe verkündet.
Es ist ein erwünschter Nebeneffekt, dass diese theologisch fragwürdigen Punkte beim Fortfall des dritten Teils nicht mehr zum Tragen kommen. Stattdessen wird mit der Darstellung des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies die Schöpfungsgeschichte erst komplettiert und die Möglichkeit gegeben, den neuerlichen Sündenfall, vor dem wir heute stehen, künstlerisch zu thematisieren.
Gelegenheit dazu geben Elemente, die in den Originalquellen – wenn auch nur keimhaft – vorhanden sind: Immerhin gibt es zum einen dort kurz vor Schluss das aufschlussreiche Rezitativ „O glücklich Paar, wärt glücklich immerfort, wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen, als ihr habt und mehr zu wissen, als ihr sollt“, das durchaus als vorsichtige Kritik am Fortschrittsglauben im Gefolge einer einseitig verstandenen „Aufklärung“ gewertet werden kann. Zum anderen schildert John Milton in „Paradise lost“ die Ausweisung aus dem Paradies nicht als Ende, sondern als Aufbruch zu einer neuen Chance („vor ihnen lag offen die Welt“), als Möglichkeit der Bewährung. Und von hier ist der Weg nicht mehr weit zu der Frage, ob wir wohl diese Probe bestehen werden... (aus einer Einführung von Reinhard Fehling)
Elena Fink, Sopran; Julian Habermann, Tenor; Thilo Dahlmann, Bass
Heddernheimer Musikkollegium
Thomaskantorei Frankfurt am Main
Kantor Tobias Koriath, Leitung
Eintritt 25 I 20 I 15 (erm. 5 €: Schüler, Studenten & Mitglieder Freundeskreis)
Kartenvorverkauf über das Gemeindebüro